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Verhaltensprobleme müssen nicht von der Schilddrüse kommen - können aber!

Nach jahrelanger Erfahrung rund um das Thema Schilddrüsenunterfunktion respektive subklinische Schilddrüsenunterfunktion im Zusammenhang mit Verhaltensauffälligkeiten beim Hund möchte ich mit diesen Artikel mehr Klarheit in diese wichtige Thematik bringen.

 

Vorweg ist mir ganz wichtig zu sagen, dass  im Bereich subklinischer Schilddrüsenunterfunktionen fundiert und genau hingeschaut werden sollte.

Ich bewegte mich in den letzten Jahren oft zwischen zwei Lagern: Hundetrainer/innen, die überall eine Schilddrüsenproblematik sehen und Tierärzten, die sich auf unvollständige Diagnostik und ungenügende Kenntnisse über mögliche Verhaltensprobleme stützen. Ich möchte hier nicht urteilen, es ist mir nur wichtig, dass eben genau hingeschaut wird bei den betreffenden Hunden.

 

Bei einem Hund mit Verhaltensproblemen macht es grundsätzlich immer Sinn gesundheitliche Ursachen in Betracht zu ziehen und diesbezüglich zu gegebenem Zeitpunkt medizinische Abklärungen zu tätigen. Und bereits hier beginnt es. Wann macht es denn Sinn aufwändige gesundheitliche Untersuchungen zu veranlassen?

 

Geht es um einen Junghund aus dem Auslandtierschutz, der in seiner frühen Welpen- und Jungendentwicklung eine mangelnde Prägung erlebte und hier in der Grossstadt nicht klar kommt, ist für mich eine Schilddrüsendiagnostik nicht die erste Wahl. Wird dieser Hund aber ganzheitlich gut unterstützt (Management, Training, Mensch-Tier-Beziehung, Unterstützung mittels Futterzusätzen, alternativmedizinischer Methoden, ggf. Medikation) und kann sich im Laufe seiner Jugendentwicklung und Adoleszenz nicht verbessern, dann werde ich mit Sicherheit zum individuell sinnvollen Zeitpunkt auch gesundheitliche Abklärungen machen. 

Habe ich aber einen Hund, der nie verhaltensauffällig war und quasi von jetzt auf gleich oder auch in einem schleichenden Verlauf Probleme bekommt, dann bedarf es mit hoher Dringlichkeit medizinische Abklärungen. Auch da bitte in einer ganzheitlichen Sichtweise, weil auch diverse andere Faktoren zu plötzlich auftretenden Verhaltensproblemen beitragen können.

 

Hat ein Hund beispielsweise einen Autounfall erlitten und danach eine Autophobie, die davor nicht dagewesen ist, dann werde ich das nicht primär auf eine gesundheitliche Ursache zurückführen (ausser der Hund rennt wegen anderer Angstauslösern panisch vors Auto). Man sollte gesundheitliche Probleme aber bei der Arbeit an der Phobie (in dem Fall idealerweise eine Kombination von Trauma Aufarbeitung, Training und Management, etc.) auch nicht aussen vor lassen. Schmerzbedingte Stimmungsschwankungen können auch einen grossen Einfluss haben. Kommt man nicht weiter mit der Arbeit an der Problematik, dann lohnt es sich auch in dem Beispiel gesundheitlich genauer hinzuschauen.

 

Sehr oft liegen Verhaltensproblemen verschiedene Ursachen zugrunde. Deshalb ist es mir wichtig darauf zu sensibilisieren, dass Tiere ganzheitlich betrachtet werden. Das heisst deren Gesundheit, aber auch Einflüsse aus der Vorgeschichte, dem Umfeld und der Umgebung, der Mensch-Tier-Beziehung, sowie auch Trainingstechniken, Managementmassnahmen usw..

 

 

 

Schilddrüsenabklärungen sollten verantwortungsvoll durchgeführt werden. Das heisst für mich, dass nicht nur die Schilddrüse selber abgeklärt wird, sondern ein komplettes Blutbild inklusive einiger weiterer wichtiger Parameter im Blut gemessen werden. So dass man alle möglichen organischen Ursachen, die Einfluss auf das Verhalten des Hundes haben könnten, mit einbezieht und es möglich wird zu unterscheiden, ob die Ursache für allfällig erniedrigte Schilddrüsenwerte auch wirklich bei der Schilddrüse selbst liegt oder eben nicht. Jede andere Erkrankung oder auch Mangelzustände wie beispielsweise Vitamin B- oder Zinkmangel können dazu führen, dass die Schilddrüsenwerte im tiefnormalen oder sogar erniedrigten Bereich liegen und dieselben Symptome verursachen, wie wenn etwas mit der Schilddrüse selber nicht stimmt. Man spricht dann von Euthyroid Sick Syndrom. Es ist sehr wichtig bei einer Behandlung auch am richtigen Punkt anzusetzen! Alles andere ist für mich unseriös. Daher bitte Finger weglassen von Therapieversuchen mit Schilddrüsenhormonen, ohne dass ein Hund vollständig medizinisch abgeklärt wurde.

 

Andersrum ist es wichtig dran zu bleiben, wenn man als Hundehalter oder eben der/die Hundetrainer/in den Verdacht hat, dass  hinsichtlich Verhaltensproblemen des Hundes etwas nicht stimmen könnte. Da darf man auch gegenüber einem Tierarzt für sich und den eigenen Hund einstehen und auf eine Untersuchung bestehen. Auch wenn einem zum Beispiel gesagt wird, dass der Hund halt nicht gehorcht oder der Mensch das Problem ist. Gerne auch dann, wenn im ersten Anlauf ein Blutbild unauffällig war und man aber zu einem späteren Zeitpunkt immer noch das Gefühl hat etwas wäre nicht in Ordnung. Manchmal können Symptome auch sehr subtil sein und medizinische Ursachen dafür können nicht immer gleich erkannt werden.

 

Mehr Infos zum Thema Schilddrüse und Verhalten findest du hier:

Ängste, Aggressionen, Stressintoleranz und Co im Zusammenhang mit der Schilddrüse - Fabienne Fust

 

©med. vet. Fabienne Fust, SEELENGESUND - MENSCH & TIER IM EINKLANG, www.fabiennefust.ch, Mai 2023.