"Ich bin da und ich weiss, dass ich dir was eher Unangenehmes zufügen muss. Ich werde dich an Orten anfassen, an denen du vielleicht nicht so gerne angefasst wirst. Vielleicht magst du auch einfach fremde Menschen in dieser unmittelbaren Nähe nicht, die sicherlich deine Individualdistanz unterschreitet.
Oder du kennst das was ich mit dir tun werde einfach noch nicht, weil du noch jung, unerfahren und vielleicht auch etwas unsicher bist.
Ich werde dir irgendwann eine Nadel in deine Vene stechen. Wenn ich nicht achtsam bin und den Alkohol nicht trocknen lasse, dann wird dich die Einstichstelle möglicherweise auch brennen.
Vielleicht hast du an anderen Orten schon unangenehme Erfahrungen gemacht mit Menschen, die nicht so achtsam mit dir umgesprungen sind. Vielleicht hast du dadurch einen Schmerz, deine Angst und Hilflosigkeit mit der Berührung durch fremde Menschen und/oder mit der Unterschreitung deiner Individualdistanz verknüpft. Vielleicht auch mit dem Geruch von Desinfektionsmittel oder mit dem Geräusch der Schärmaschine.
Ich kann dich so gut verstehen. Ich verspreche dir, dass ich mein Allerbestes gebe, um dich achtsam, sanft und in den für dich passenden Schritten dahin führen werde, dass du weiter gehen kannst. Damit du lernen kannst, dass doch viel mehr möglich ist, als du dachtest.
Ich werde alle meine Sinne und mein Wissen einsetzen, um dich zu sehen, zu erkennen wie du dich fühlst und die richtigen Schritte mit dir zu gehen. An dich und dein Tempo angepasst. So das du die Erfahrung machen kannst, dass der Stich, den ich dir zufügen werde, in tiefem Respekt deiner Würde stattfinden wird. Dass ich dir unter Achtung deiner Würde potentielle Schmerzen zufügen werde oder dich in eine für dich unangenehme Situation bringen werde.
Dadurch, dass wir vorher zusammen die nötigen kleinen Schritte gehen, wirst du lernen mir zu vertrauen und mit mir zusammen über deine Grenzen gehen zu können. Immer weiter. Und dann wirst du lernen, dass das was dich verunsichert oder einst verängstigt hatte gar nicht so schlimm ist. Du wirst über dich hinaus wachsen. Immer mehr. Ob du noch jung und grün hinter den Ohren bist oder ob du deine Erfahrungen mit Menschen gemacht hattest, die deine Grenzen nicht wahrgenommen oder respektiert haben."
Gerade bei Hunden, die tief traumatisiert waren, ist es sehr wichtig mit viel Feingefühl ein Medical Training aufzubauen. Die Technik alleine macht viel aus UND es bedarf viel Fingerspitzengefühl und Achtsamkeit, die für das Tier machbaren Schritte mitzugehen. Es dort abzuholen wo es steht. Nicht über die Grenzen hinaus zu gehen und es gleichzeitig in Minischritten darüber hinaus zu führen. Manchmal sehen die Gesichter der Hunde nicht nur happy und komplett entspannt aus, weil sie zwar alle sehr gut und motiviert mitmachen, die Handlung selber jedoch nicht nur angenehm ist für sie. Ich bitte dich also etwas weiter zu denken, gegebenenfalls nachzufragen und nicht vorschnell zu urteilen.
Ein wesentlicher Unterschied zum Medical Training im reinen Trainingskontext ist auch der, dass es in meinen Trainings zu seiner Zeit auch zu einer tierärztlichen Handlung kommen wird. Ich habe wundervolle Kunden, die mit viel Verständnis ihrem Tier gegenüber mitmachen und ihm die nötige Zeit einfach geben. Das ist NICHT selbstverständlich, im normalen Tierärzte Alltag eher schwierig zu gestalten und es gibt Situationen in denen es der körperliche Zustand eines Tieres auch nicht im für das Tier optimalen Masse erlaubt. Manchmal drückt einfach die Zeit.
Wie kann ich also ein Medical Training so gestalten, dass ich ein Tier in teilweise kürzester Zeit in freiwilliger Kooperation dahin bringen kann, dass zum Beispiel eine Blutentnahme leicht möglich wird?!
Wieder einmal mehr meine tiefe Ermunterung mit euren Jungtieren zu üben, weil ihr da die Zeit habt und prophylaktisch so viel machen könnt. Es ist viel einfacher als mit einem Tier zu arbeiten, dass bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Bei "Chiara" (10 Monate) im Video seht ihr einen Ausschnitt aus einem Medical Training zur Vorbereitung einer Blutentnahme. Sie hat im ersten Moment auf jeden Schritt zuerst mit Verunsicherung reagiert, insbesondere auf das Geräusch der Schärmaschine. Mit einigen vorbereitenden Schritten sind wir innert relativ kurzer Zeit dahin gelangt, das sie vertrauensvoll vorbereitet ist und eine Blutentnahme beim nächsten Treffen leicht möglich sein sollte.
Und dann kam "Leon", ein junger Rüde mit viel Temperament. Ich hätte ihm Blut nehmen und ihn klinisch sehr genau untersuchen sollen, weil er ein tierärztliches Zeugnis zwecks seiner Ausbildung als Assistenzhund brauchte.
Einige Untersuchungen wurden bereits beim Haustierarzt unter Vollnarkose gemacht. Was halt am schlafenden Hund nicht ging stand noch offen, weil "Leon" sich aufgrund übermässigem Aggressionsverhalten nicht untersuchen liess.
Auch zuhause konnte seit dem traumatischen Erlebnis beim Tierarzt keiner mehr was an dem Hund machen. Jedes Mal, wenn es darum ging, dass er eingeengt oder festgehalten werden musste, setzte er erfolgreich seine Zähne ein. Erfolgreich deswegen, weil es für den Hund bedürfniserfüllend und dadurch eine stark selbst belohnende Strategie geworden war.
Für mich war klar, dass wir da hinsichtlich der Gesamtsituation an einem massgeblichen Scheideweg für die Zukunft von Mensch & Hund standen. Wir haben zusammen entschieden, zuerst ein Medical Training aufzubauen. Für mich war klar, dass ich unter keinen Umständen Druck auf diesen Hund ausüben würde.
Weil ich das per se kaum tue, gleichzeitig es bei "Leons“ Geschichte mehr als nur kontraproduktiv gewesen wäre. Weil wie gesagt jedes Erfolgserlebnis sein aus menschlicher Sicht "Fehlverhalten" massgeblich verstärkt hätte.
So hat die Besitzerin einige Anpassungen diesbezüglich für sich machen können und hat fleissig zuhause mit ihrem Hund geübt. Zusammen haben wir das Medical Training schrittweise - dem Hund angepasst - auf- und ausgebaut, so dass ich über drei Termine hinweg alle notwendigen Untersuchungen machen konnte und beim letzten Termin auch eine Blutentnahme sehr gut möglich geworden war. Danach hatte er sich während dem Ausfüllen des Zeugnisses sogar tiefenentspannt hingelegt.
Ich weiss, dass "Leon" immer wieder gerne zu mir kommen und gerne mitmachen wird, weil er mir vertraut. Für mich das Schönste daran - die Weichen für die Zukunft der Beiden ist in eine mehr als gute Richtung gestellt. Das ist so schön. Weil wir natürlich mit dem Medical Training auch einen Teil der Themen zuhause verbessern konnten. Natürlich ist auch das erlangte Bewusstsein der Besitzerin über die selbst belohnende Komponente der Verhaltensstrategie ihres Hundes mega wichtig, sowie entsprechendes Management.
Durch Erweiterung der Übungseinheiten auf verschiedenen Fremdpersonen und Umgebungen, sollten stressfreie Tierarztbesuche auch in anderen Tierarztpraxen für diesen Hund möglich werden können.
Mehr Infos über Medical Training, meinen Online Kurs MEDICAL TRAINING, sowie über mein Angebots Paket "Tierarzt Trauma lösen!" findest du hier:
https://www.fabiennefust.ch/medical-training/
©med. vet. Fabienne Fust, MENSCH & TIER IM EINKLANG, www.fabiennefust.ch, Juli 2024.