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Wut und Aggression in der Mensch-Tier-Beziehung

So wie ich wahrnehme, geben unsere Tiere oftmals unseren eigenen Emotionen Ausdruck. Sei das, wenn wir angestaute Emotionen mit uns rum tragen, Emotionen, die keinen Raum haben oder einfach als Spiegel unserer Selbst. Unsere Tiere leben mit uns in ein und demselben System, so dürfen wir uns auch immer mal die Frage stellen "was hat es mit mir zu tun?". Und: „kann ich was mir durch mein Tier begegnet als mein Wachstumspotential nutzen?“

 

Denn oftmals ist es doch so, dass gerade beim Tier unerwünschte Verhaltensweisen ganz viel mit uns selber zu tun haben. Weswegen triggert es mich beispielsweise, wenn mein Hund an der Leine pöbelt in der Begegnung mit anderen Hunden? Natürlich lastet da ein sehr hoher gesellschaftlicher Druck auf unseren Hunden bzw. an einem Aggressionsverhalten durch unsere Hunde. Da gilt es natürlich die Verantwortung für seinen Hund zu tragen, dass Niemandem Schaden zukommt. Dennoch stelle ich einmal die These, dass bei vielen Menschen in unserer heutigen Gesellschaft Aggressionen per se mit einer negativen Wertigkeit behaftet sind. Seien diese durch Tiere oder durch Menschen ausgeübt. Selbstverständlich heisse ich es nicht gut, wenn Aggressionen unkontrolliert ausgeübt werden und/ oder wenn jemand anders darunter leidet. Nichts desto trotz sind Wut und Aggression Emotionen wie dies auch Freude, Liebe, Trauer, Angst etc. sind. Darüber lohnt es sich nach zu denken. Und eine gesunde Aggression kann eine wunderbare Triebfeder sein für Wachstum, Entwicklung und Abgrenzung. Was ist denn eine gesunde Aggression? Für mich persönlich ist eine gesunde Aggression dann, wenn sie kanalisiert genutzt werden kann, wenn sie zur eigenen Abgrenzung, zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung von Schwächeren genutzt wird. Aber da darf jeder selber hin spüren.

 

Ein normales Aggressionsverhalten ermöglicht es einem Hund „Stopp“ zu sagen und seinen Raum zu wahren. Und das soll er auch dürfen. Warum sollte ein Hund nicht sagen dürfen, wenn ihm jemand oder etwas zu nahe kommt? Wenn er seine Ruhe haben möchte und nicht gestreichelt werden möchte? Das bedingt allerdings, dass wir Menschen unsere Hunde lesen können und v.a. sie auch respektieren lernen. Wie viele von uns lassen eine solche individuelle Grenze nicht zu, nehmen es persönlich oder haben das Gefühl, dass unsere Hunde alles tolerieren sollten? Wenn ich eine solche Grenze, die mir ein Hund setzt, nicht respektieren kann – kann ich denn eine durch einen anderen Menschen gesetzte Grenze wahren? Fühle ich mich dadurch vielleicht abgelehnt oder nicht geliebt? Kann ich meine eigenen Grenzen setzen? Oder sind Themen wie Übergriffigkeit ein mir bekanntes Thema?

 

Dass wir unsere Hunde lesen können und sie respektieren können, bedeutet auch die Grundbedürfnisse unserer Hunde zu kennen, sie in ihren Emotionen einschätzen und respektieren zu können. Reagiert ein Hund etwa aus Angst mit einer Aggression gegenüber einem anderen Hund oder einem Menschen, der ihm zu nahe kommt, dann hat die Aggression zum Ziel den Angstauslöser zu distanzieren. Ich als Mensch übernehme die Verantwortung indem ich meinen Hund vor von ihm unerwünschten Bedrängungen oder gar Berührungen durch fremde Menschen schütze. Mir selber mag ich ja auch nicht von Jedermann durch mein blondes Haar streichen lassen! Da gilt es dann auch die Distanzen seines Hundes im Alltag zu wahren, sprich ich gehe in so einem Fall dann beispielsweise eben nicht in einen mit Menschen vollgestopften Zug mit meinem Hund. Wenn, dann erst nachdem ein ängstliches Tier durch viele gute Lernerfahrungen gelernt hat adäquat mit einer solchen Situation umzugehen. Da liegt es dann an uns Menschen halt einen Schritt zurück zu treten und auf eine Zugfahrt mit dem Hund zu verzichten, aus Sicherheitsgründen, aus Respekt dem Tier, anderen Menschen und nicht zuletzt uns selbst gegenüber. Denn sind wir mal ehrlich – wie viele Hundehalter schaffen es in so einer Situation in einem engen Raum mit vielen Menschen und angstaggressivem Hund cool zu bleiben und ihm die Sicherheit zu vermitteln, die er brauchen würde, um so eine Situation gelassen zu meistern? Auch wir Menschen haben unsere Lerngeschichten genau wie unsere Hunde. Und wie soll ein Hund mit einer solchen Situation klar kommen, wenn der Besitzer mit der Situation nicht klar kommt, selber traumatisiert ist, Stress oder Angst hat, was der Hund wiederum spüren kann? Aber genau da können wir ansetzen, unsere eigenen Gedanken, Muster und Themen überdenken und Schlüssel für uns Menschen finden.

 

 

Manchmal gibt es auch Situationen, in denen wir selber mit unterdrückter Wut geladen sind. Unsere Hunde spüren das und „schwingen dann mit“, eben im Gleichklang mit uns Menschen. Da kann ich aus einem eigenen Beispiel eine Anekdote erzählen… Ich hatte damals drei Hunde. Eine meiner Hündinnen hat lange Zeit ein Aggressionsthema mit anderen Hunden gehabt, nach einem traumatischen Erlebnis v.a. mit grossen schwarzen langhaarigen Hunden. Nun gut, ich ging spazieren mit den Mädels, lief einen Hügel hinunter. Im Tal unten war ein grosser schwarzer langhaariger Hund – genau der Hund, der bei Lucy das Trauma einige Jahre zuvor durch einen heftigen Angriff ausgelöst hatte. Die Hundehalter waren in zwei Gruppen unterwegs, die Hündin war nicht an der Leine. Die Besitzer haben die Hündin zwischen den Gruppen hin und her rennen lassen. Meine Hunde hatten sich immer mehr aufgebaut. Im Zuge der Rudeldynamik alle drei. Erst war ich gestresst, weil ich Angst hatte, dass die schwarze Hündin wieder zu uns herlaufen und etwas passieren könnte. Und dann hatte ich mich aufgeregt. Ich war so dermassen wütend auf die Leute, weil sie nicht aufgehört hatten ihren Hund hin und her rennen zu lassen, obwohl sie doch sehen mussten, wie sehr sich meine Hunde aufregten. Und über die unverschämte Rücksichtslosigkeit dieser Menschen uns gegenüber. Meine Hunde wurden in ihrem Verhalten immer heftiger und ich immer wütender und ich auch auf meine Hunde, weil mich ein solches Verhalten ehrlich gesagt tierisch nervt. Und plötzlich bin ich still geworden. Wie von einem Blitzschlag getroffen ging mir auf, dass meine Mädels mit mir in meiner Wut am anderen Ende der Leine gar nicht anders konnten als auszurasten… Und ich bin ganz ruhig geworden. Damit war das Thema auch für meine Hunde gegessen und wir konnten normal weiter gehen. Dieses Beispiel ist erfahrungsgemäss normaler Alltagswahnsinn bei Hundehaltern bzw. bei Menschen. Es hat mich schwer zum Nachdenken gebracht und mir ganz viele Erkenntnisse und Schlüssel gebracht über mich, meine Hunde und über Mensch Tier Beziehungen im Allgemeinen.

 

©Feb.2019 Fabienne Fust, med. vet., FA Verhaltensmedizin GST, Tierkinesiologin NGL, dipl. kinesiologische Lebensberaterin NGL, Feb. 2019

www.fabiennefust.ch